Gemeindeleben in Lenauheim im Jahre 1938

Das Gemeindeleben in Lenauheim im Jahre 1938

Die Gemeinde Lenauheim, liegt im Nordwesten der Banater Tiefebene, 14 km. entlang der Rumänisch-Jugoslawischen Staatsgrenze .

Die Bewohner der Gemeinde sind deutscher Nationalität (Schwaben) und kamen im Rahmen der Kolonisation des Banates, angefangen vom deutschen Kaiser Karl VI. und weitergeführt von seiner Tochter, der Kaiserin, Maria Theresia. Die Herkunftsgebiete der Kolonisten dieser Gemeinde, sind verschiedene Gebiete Deutschlands, hauptsächlich kamen sie aus Lothringen, Luxemburg, Trier, Nassau, Birkenfeld und anderen Ortschaften.

Die Gemeinde Lenauheim entstand 1767, unter der Aufsicht des Banatrates Hildebrand.

Unter dem Namen „Csatad“ wurde diese Siedlung (Pußta) schon 1759 erwähnt. Ein gewisser Barany schrieb in einem Buch das der Name „Csatad“ von dem rumänischen „Cetate“ abgeleitet wurde. Somit bekundete er die Existenz eines rumänischen Elementes, in dieser Zeit, wo heute nur Deutsche leben.

Nach dem Anschluß des Banates an das Mutterland, trug die Gemeinde den Namen „Cetad“. In Folge des 1925, ersten gemeinsamen verabschiedeten Verwaltungsgesetzes, wird die Gemeinde auf den Namen Lenauheim umbenannt, nach dem großen deutsch-österreichischen Dichter Nikolaus Lenau, der in diesem Ort das Licht der Welt erblickte.

Nikolaus Lenau, einer der größten deutschsprachigen Dichter, der oft mit dem rumänischen Dichter Mihai Eminescu verglichen wird, wurde am 13. August 1802 als Sohn eines Kameralbeamten geboren. Er lebte etwa ein Jahr seiner Kindheit in diesem Ort, in seinem Geburtshaus, welches heute zwei Eigentümer hat: die Weidegesellschaft und den Kaufmann Jakob Wilhelm. Im Jahre 1904, wurde auf Anregung eines örtlichen Ausschußes, ein Lenaudenkmal, vor dem Gemeindehaus, errichtet.

Da die Bewohner von Lenauheim, ausschließlich deutscher Nationalität sind, hat die Gemeinde mit nichts, zur Erfüllung des tausendjährigen Traumes der rumänischen Nation, beigetragen. Die heutige Anzahl der 2489 Seelen teilt sich wie folgt auf:

a.: nach Nationalitäten

Rumänen 31
Deutsche 2377
andere 81

b.: nach Geschlecht

Männer 1227
Frauen 1262

c.: nach Beruf:

Intellektuelle 18 Familienerhalter
Bauern 248 Familienerhalter
Arbeiter 209 Familienerhalter
Handwerker 77 Familienerhalter
Kaufleute 36 Familienerhalter

Die Gemarkung der Gemeinde Lenauheim, hat eine Fläche von 7176 Joch und 1296 Quadratklafter, die sich wie folgt zusammensetzt:

Ackerland 6359 Joch und 1491 Quadratklafter
Hausgärten 60 Joch und 407 Quadratklafter
Weingärte 44 Joch und 195 Quadratklafter
Weideland 354 Joch und 1061 Quadratklafter
Andere Flächen
(Hausplätze,Hofplätze,
357
Wege
Joch
usw.)
und 1342 Quadratklafter

Die Religion der Bürger ist römisch-katholisch, die sie in der 1778 erbauten Barockkirche, ausüben können.
Der Grundschulunterricht, wird seit der Vereinigung in der Dorfschule von Lehrern erteilt, die ihre Gehälter von der Gemeinde und einen kleinen Zuschuß vom Staate erhalten.
Die Dorfschule wurde bis 1927 so weiter geführt wie sie von dem ungarischen Dorf übernommen wurde; bis sie dann in eine Staatliche Schule überging.
Die Unterrichtssprache war in maghiarischer Zeit „Maghiarisch“ und wurde von deutschen, maghiarisierten Lehrer, gelehrt. Heute bekommen die Kinder, in der staatlichen Grundschule den Unterricht in ihrer Muttersprache erteilt; außer den Nationalen Unterrichtsfächern, die werden in der Staatssprache erteilt. Erwähnenswert wäre noch eine interessante Sache – obwohl es nichts Geschichtliches ist – aber sie könnte von Bedeutung sein. Aus den alten Gemeindebücher ist ersichtlich, das die Bewohner ihre Namen nach maghiarischer Rechtschreibung schrieben und die Vornamen entsprachen auch dem Maghiarischen. Sogar heute sind noch ältere Leute, welche diese Schreibweise als richtig finden. Die Jüngeren, die schon eine staatliche Schule besuchten, schreiben ihre Namen nach deutscher Rechtschreibung und die Vornamen entsprechend auch deutsch – manche sogar mit gothischen Buchstaben. Die rumänische Schule hat niemand romanis iert, im Gegenteil sie gab ihnen ein fast verlorenes, nationales Bewußtsein zurück.
Bis zur Vereinigung, entfalteten folgende Vereine, die Kultur-Professionellen Charakters waren, ihre Tätigkeit:

1. Csatader Landwirtschaftsverein
2. Csatader Handeis-und Gewerbeverein
3. Csatader Kuiturverein „Lenau“,ein Verein maghiarisch zugeneigten Intellektuellen
4. Csatader Männergesangsverein

Heute, im rumänischen Zeitalter, ist die Zahl der Vereine ersichtlich gestiegen und der gesellschaftliche Lebensstandard ist gewachsen. Heute bestehen folgende Vereine:

1….Csatader Bauernverein
2 . Csadater Handels-und Gewerbeverein
3. Deutscher Kulturverein
4. Frauenverein
5. Männerchor „Lenau“
6. Römisch-Katholisch Deutscher-Jugendverein
7. Lenauheimer Mädchenkranz

Als Treffpunkt dieser Vereine, gibt es ein eigenes oder angemietetes Gebäude das sie „Casino“ nennen.

Es ist hervorzuheben das aus eigener Entschlußkraft, einiger Banal-Deutscher Intellektueller, das „Nikolaus Lenau“ Museum ins Leben gerufen wurde. Das Museum besteht aus zwei Ausstellungssälen und ist in dem Geburtshaus des Dichters untergebracht. In einem Ausstellungssaal sind einige handschriftliche und gedruckte Werke ausgestellt, so wie Werke anderer Dichter in Bezug auf das Leben und Schaffen von Nikolaus Lenau. Im zweiten Ausstellungssaal, kann man Bilder deutscher Banater Dichter und eine Rückschau deutscher Volkstrachten bewundern.
Die Hauptbeschäftigung der Bewohner ist die Landwirtschaft. Der Boden wird auf wissenschaftliche Art bearbeitet. Die Landwirtschaftsmaschinen nahmen nach dem Krieg beträchtlich zu. Die folgenden Angaben belegen die Fortschreitung der Mechanisierung der Landwirtschaft:

1. Sämaschinen (zum Großteil die Vollkommensten) 110 St.
2. Garbebindemaschinen 89 St.
3. Dreschmaschinen 13 St.
4. Traktoren für jedwelche landwirtschaftliche Arbeit 14 St.

Die Bevölkerung, befaßt sich außer der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitung, auch mit Mast und Verkauf von Schweinen. Die gesamte Menge der Maisernte wird zur Mast verwendet und somit einen größeren Reingewinn erzielt. Durch große Exportfirmen, werden die gemästeten Schweine in die Tschechoslowakei und nach Deutschland verkauft.
Jährlich werden im Durchschnitt etwa 13000 fette Schweine geliefert. Diese, zum Wohlstand führende, Tätigkeit wurde erst nach der Vereinigung begonnen. Unter Aufsicht des Nationalen Zootechnischen Forschungsinstitutes wirkt seit 1932 ein Kompossessorat welches die Vatertiere verwaltet, so wie die Simmentaler Viehrasse und Zuchttiere für die Gemeinde und ihrer Umgebung fördert.
Eine Agrarreform fand in Lenauheim nicht statt, da alle Felder aufgeteilt waren. Die Felder sind so gut verteilt, daß jeder Bürger der Gemeinde den nötigen Boden zum täglichen Brot hat.
Die Industrie ist in der Gemeinde schwach vertreten. Es gibt eine Walzmühle und eine Käsefabrik. Die bekannteste Käsesorte die hier erzeugt wird, ist der „Holländische Käse“. Es werden insgesamt sechs Käsesorten hergestellt die im ganzen Land vertrieben werden, hauptsächlich in den Städten Tsernauti und Bukarest. Dank dieser Käserei, haben die Bauern des Ortes einen preisgünstigen und guten Absatz für die Milch.
Im Gegenteil zu der Industrie, gibt es ein Aufblühen des Handwerkerstandes, der sich wie folgt zusammensetzt:

5 Wagnereien
6 Schmiedewerkstätte
3 Schloßereien, diese beschäftigen sich hauptsächlich mit den im Ort, zahlreichvorhandenen, Landwirtschaftsmaschinen
7 Schuhmacher/Schuster, sie fertigen auf Bestellung, jedwelche Fußbekleidung für Frauen und Männer an.
4 Zimmerleute
6 Herrenschneidereien
2 Damenschneidereien

Dank des Wohlstandes, trägt man Luxuskleidung. Die Frauen ließen ihre Kleider nach Modezeitschriften, die zur Zeit in der Stadt aktuell sind, nähen.

6 Hausierende Barbierer
5 Maurer
5 Fleischereien
5 Riemereien
2 Gebäudemaler

Der Handel ist desgleichen im Ort sehr entwickelt, es gibt 31 Kaufleute verschiedener Art.
Dank der klugen Organisation unserer schwäbischen Mitbürgern, ist die wirtschaftlich-finanzielle Lage sehr fortgeschritten.
Aus obengenannten Angaben, in dem Kapitel Tierzucht, kann man schlußfolgern wieviel Geld Jahr für Jahr in die Kassen dieser Bewohner fließt. Somit kann es keine Nöten auf diesem Gebiete geben.
Zeichen der guten wirtschaftlichen Lage, sind die schönen Häuser, viele von ihnen sind mit Badezimmern ausgestattet, die von eigenen Tiefbrunnen das Wasser zugeführt bekommen, moderne Möbel, Kinder die in schönen Wiegen und Kinderwägen modernster Art großgezogen werden, sowie Menschen mit den auserlesensten Kleidern.
Bei einer Bevölkerung von 2489 Seelen, gibt es im Ort 98 landwirtschaftliche Kreditoren, mit landwirtschaftlichen Schulden von 1.890.500 Lei, die in regelmäßigen Raten abgezahlt werden.
Die kulturelle Lage ist gleich mit der wirtschaftlichen und somit ist die Schriftunkundigkeit gleich Null.

Viele Jugendliche beenden ein Gymnasium oder die deutsche Ackerbauschulen in Wojtek oder Mediasch, nachdem sie wieder an den Pflug zurückkehren.
Sie besuchen nur die konfessionellen Schulen und nicht die Staatlichen, dieses Umgehen kann man auch bei den Kindern der Beamten deutscher Nationalität feststellen.
Das Kulturleben ist in verschiedenen Kultur-Professionellen Vereinen organisiert. All diese haben je ein Vereinslokal, daß aus einem Unterhaitungs- bzw. Konferenzraum und einem Leseraum besteht. Die Leseräume sind mit reichhaltigen Bibliotheken ausgestattet. Da kann man auch Fachzeitschriften über die Landwirtschaft, über Handwerkliches und vieles anderes lesen. Die Mitglieder der Vereine treffen sich in Zeiten wenn auf dem Felde viel zu tun ist einmal pro Woche, während des Winters aber täglich. Bei diesen Treffen werden viele lehrreiche Vorlesungen von auswärtigen Lektoren, so wie auch von deutschen Intellektuellen des Ortes gehalten.
Die Mittellosen oder kränkenden Mitglieder werden in der Not, aus Einnahmen der kulturellen Tätigkeiten sowie aus den Mitgliedsbeiträgen unterstützt.
Es gibt noch einen Verein für gegenseitige Hilfe im Todesfall, den Leichenverein. In welchem etwa 90 % der Bevölkerung Mitglieder sind. In einem Sterbefall bezahlt jedes Mitglied l Lei Beitrag, wobei die betroffene Familie 1500 Lei, die Leichenträger und den Totenwagen als Hilfe von dem Verein bekommt. Dies zeigt wiederum den Gemeinsinn der Leute, denn das Finanzielle ist ja fast unbedeutend.
Letzendlich können wir dieses Kapitel nicht beenden, ohne zu erwähnen das fast jedes Haus eine sogenannte „l Lei Zeitung“ bezieht. Daraus ist zurückzuführen, daß die Bevölkerung immer mit den neuesten Meldungen versorgt ist.
Aber das vollkommenste Informationsmittel ist der Rundfunk. Im Ort gibt es über 100 Rundfunkempfänger. Es ist sehr interessant wie die Sendungen, gesprochen von deutschen Staatsmännern, am Rundfunk gehört werden. Gewöhnlich versammelt sich die ganze Nachbarschaft bei einem der ein Rundfunkgerät hat, um alles mitzuhören. Man ist erstaunt wie gut die Leute aus der ganzen Welt benachrichtigt sind.
Die Vaterlandsliebe ist bei den Leuten ein beschränktes Gefühl, wobei von der Flamme die von Bukarest rüber kommen müßte, man nichts spürt. Bei ihnen geht die Vaterlandsliebe so weit wie ihr Land ist, daß sie mit deutschem Pflug bearbeiten. Sie sind nicht begeistert wenn das rumänische Vaterland einen Sieg in jedwelchem Bereich zu feiern hat. Desto glückseeliger aber wenn der Deutsche siegreich ist.
In der Grundschule ist kein Wachdienst eingeführt. Die vormilitärische Ausbildung entfaltet sich unter guten Möglichkeiten. Die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung wird von drei Ärzten mit Privat-Praxen versorgt. Die Sterblichkeit ist naturgemäß und bei Säuglingen nicht vorhanden.
Aus der Sicht der öffentlichen Ordnung, kann man sagen daß die Bürger ordnungsliebend sind. Obwohl in ihrer Seele ein schwarzes Loch für die Vaterlandsliebe ist, muß man sagen, daß sie für Gesellschäftsordnung immer untertänigst ihren Mann stellen, wenn man sie ruft.

Mit diesen Bemerkungen schließe ich die Niederschreibung der Angaben über das Leben in der Gemeinde Lenauheim.

Lenauheim den 07.01.1938
Notar der Gemeinde Lenauheim Aurel Suciu

Übersetzt aus dem Rumänischen von Werner Griebel. Überarbeitete Version 1997.